ÜBER SPRACHE

Mittwoch, 18. März 2015

Das Uighuische und seine Schriften

Das Uighurische ist eine Turksprache Zentralasiens, die überwiegend in der östlichsten Provinz Chinas, Xinjiang gesprochen wird. Sie wird von über zehn Millionen Menschen gesprochen. Bekannt sind die Uighuren nicht nur durch ihre Unabhängigkeitsbestrebungen, sondern auch durch die Hinterlassenschaften des uighurischen Reiches, das in Städten wie Kashgar und Turfan den Seidenstraßenhandel ermöglicht hat und die Region entscheidend kulturell geprägt hat.
Auch wenn eine direkte Abstammung der Sprache und des Volkes von den gleichnamigen Äquivalenten des uighurischen Reiches eher auszuschließen ist, werden wir uns hier die verschiedenen Verschriftlichungen beider Sprachen über die Zeit anschauen.

Einige der ältesten gefundenen Schriftzeugnisse sind in den sogenannten Orchon-Runen geschrieben. Diese Buchstabenschrift, die den germanischen Runen erstaunlich ähnlich sieht, stammt wahrscheinlich vom aramäischen Alphabet ab und wurde speziell für die Verschriftlichung von Turksprachen modifiziert. Später, als die Uighuren sesshaft wurden und ihre städtische Kultur im heutigen Xinjiang entwickelten, kamen Sie in Berührung mit der sogdischen Schrift, die in dieser Epoche sehr verbreitet in Zentralasien war. Aus der Zeit sind einige Werke verschiedener Religionen erhalten. Sowohl buddhistische, als auch verschiedene Schriftstücke christlicher Konfessionen wurden im Reich der Uighuren verfasst. Die sogdische Schrift wurde früh modifiziert und ihre neue Version nannte man ab sofort die uighurische Schrift.

Alt-uighurische Schrift. Quelle: wikipedia
Nach chinesischem Vorbild wurde sie später von oben nach unten geschrieben und bildete die Grundlage der Schriften von anderen Völkern der Region, wie den Mongolen und den Mandschu. Dies blieb jedoch vorerst der einzige Einfluss der chinesischen Schrift auf die uighurische Schrift, denn sie war und ist denkbar ungeeignet, um mit ihr andere Sprachen zu verschriftlichen – vor allem Sprachen, die eine Vielzahl von Silbenformen aufweisen.

Mit dem Beginn der Islamisierung im zehnten Jahrhundert n. Chr. wurde die arabische Schrift immer populärer, sodass sie bis Mitte des 20sten Jahrhunderts das einzige Alphabet in Gebrauch war. Ihre Buchstaben wurden der uighurischen Schrift angepasst, um alle Phoneme und vor allem das größere Vokalinventar als das des Arabischen darstellen zu können. 

All diese Schriften hatten eindeutig ihren Ursprung im Nahen Osten. Eine ganz andere Epoche beginnt durch den Sieg der kommunistischen Partei in China und dadurch der Gründung der Volksrepublik China. Im Zuge von Massenalphabetisierung und Vereinheitlichung der Schriftsysteme werden einige aufeinanderfolgende Reformen beschlossen, die im Falle des Uighurischen eher  für Verwirrung sorgten und im Nachhinein als gescheitert betrachtet werden können. In den 50er Jahren manifestierte sich die guten sowjetisch-chinesischen Beziehungen in einer kyrillischen Schriftreform nach dem Vorbild der Sowjetunion. Die kyrillische Schrift sollte zwar in ganz Xinjiang für das Uighurische und einige andere Turksprachen durchgesetzt werden, jedoch überschattete schon ein Jahr später ein neues  Projekt die Bemühungen: Nach der Einführung der offiziellen chinesischen Umschrift „Hanyu Pinyin“ sollten nun möglichst viele Minderheitensprachen nach demselben Muster verschriftlicht werden. Folgend wurde also auch für das Uighurische eine Romanisierung nach dem System des „Hanyu Pinyin“ erarbeitet und wenig später propagiert. Eine Benutzung der arabischen Schrift wurde von 1960-82 verboten. Die Bevölkerung hatte die romanisierte Verschriftlichung jedoch nie völlig akzeptiert und so wurde die alte arabische Schrift in den 80er Jahren wieder erlaubt und verdrängte die Lateinschrift vollständig.


Diese Entscheidung lässt mehr Mitspracherecht der Minderheiten in China seit den 80er Jahren vermuten und ist ein Beispiel für den starken Bund zwischen Schrift und kultureller Identität.